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Radikalisierung und Radikalisierungsverläufe

Eine Person erhebt einen Finger, Drei Personen gucken erschrocken

Radikalisierung beschreibt den Prozess der Hinwendung einer Person zu extremistischen Einstellungen und Bestrebungen bis hin zur Teilnahme an terroristischen Aktionen. Die Erforschung von Radikalisierungsverläufen hat seit dem Aufkommen salafistischer Radikalisierung in Deutschland eine verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Es existieren in den Sozial- und Humanwissenschaften unterschiedliche Modelle, um den Prozess zu beschreiben, ihn in verschiedenen Phasen zu unterteilen und die maßgeblichen sozialen und psychologischen Faktoren zu beschreiben. Bisher lässt sich daraus zusammenfassend festhalten, dass Radikalisierungsprozesse komplex, mehrdimensional und individuell sind und nicht linear verlaufen.

Aus Verlaufsstudien konnten einige Aspekte und prototypische Verläufe abstrahiert werden, über deren Bedeutung ein weitrechender Konsens besteht. Identitäts- und Sinnkrisen, Diskriminierungserfahrungen, Einflüsse des sozialen Umfelds, Konflikte in der Familie, traumatische Erlebnisse, Ohnmachtsgefühle und schulische Probleme sind einige der Faktoren, die im Einzelfall die Hinwendung zu extremistischen Ideologien erklären konnten. Gleichwohl sind alle diese „Risikofaktoren“ recht unspezifisch und dienen ebenso für andere negative Entwicklungen, wie Drogensucht, allgemeine Delinquenz, Gewalttätigkeit, etc. als Erklärung. Interessant ist jedoch, dass hier Parallelen zu anderen extremistischen Strömungen, insbesondere zum Rechtsextremismus, bestehen.

Extremistische Organisationen versuchen gezielt junge Menschen anzusprechen, die im Prozess der Identitäts- und Persönlichkeitsfindung sind. Durch gezielte Ansprachen und der Verbreitung von Propaganda, die heute ohne größere Hürden im Internet zugänglich ist, zielen sie insbesondere auf bestimmte jugendspezifische Themen. Sie liefern einfache Antworten auf komplexe Fragen und schaffen es so, manchen Jugendlichen nachhaltig zu interessieren. Radikalisierungsprozesse stellen daher nicht nur für die öffentliche Sicherheit eine Gefahr dar, sondern sind in erster Linie eine Gefährdung für instabile, junge Personen, deren Leben durch den Einfluss von extremistischen Demagogen nachhaltig geprägt werden kann. Dennoch sind es nicht die spezifischen Inhalte einer extremistischen Ideologie, die diese gefährlich machen, sondern es ist die Mischung der Umstände, die eine Ideologie für eine Person zur Lösung werden lassen. Häufig sind es biographische Brüche oder das soziale Umfeld, die eine Person zugänglich für extremistische Ideologien machen. Für den Bereich des religiös begründeten Extremismus deutet vieles darauf hin, dass eine religiöse Grundbildung ein Schutzfaktor sein kann, weil das pseudo-religiöse Auftreten der Salafisten mit dem richtigen Wissen direkt entlarvt werden kann. Unkenntnis über den Islam kann hingegen junge Menschen verwundbarer für diese Ideologien machten.

weiterführende Informationen und Lesetipps

Verfassungsschutz

Für die Konrad Adenauer Stiftung, Dr. Michael Logvinov: Radikalisierungsprozesse.

Analyse des BKA (2015) zu den Radikalisierungshintergründen und –verläufen der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind.